Die Deutschen bezeichnen ihn als Gutedel, die Walliser als Fendant, die Franzosen sagen Chasselas. Sicher ist, dass die weisse Rebe eine ganze Menge an Synonymen besitzt und ein schwieriges Image dazu. Im Markgräflerland liebt man die Brot-und-Butter-Sorte, im Elsass hat man fast alle Stöcke ausgehauen, während der Chasselas in der Waadt sogar als Nonplusultra gilt. Höchste Zeit, sich mit einer historischen Sorte zu beschäftigen.
Angeblich soll er schon vor 5000 Jahren im alten Ägypten angebaut worden sein, der Gutedel. Doch wie es so ist bei wissenschaftlichen Ergebnissen: Irgendwann kommt einer daher und widerlegt beliebte Thesen.
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Im Falle des nicht nur bei südbadischen und Schweizer Winzern geschätzten Weines wurde die Geschichte mit der ägyptischen Oase unlängst für null und nichtig erklärt. DNA-Untersuchungen fanden keine Gemeinsamkeiten zwischen dem Chasselas und dem vermeintlichen Verwandten vom Nil. Wahrscheinlicher ist es wohl, dass die Rebe ihren Ursprung dort hat, wo sie auch heute noch dominiert – am Genfer See.
SÜSSE STATT SÄURE
Die Waadtländer gelten als die weltweit grössten Fans des Chasselas und übertreffen noch die restlichen Eidgenossen – selbst die Walliser, die ihn als Fendant bezeichnen. Knapp 4000 Hektar sind in der Schweiz mit der weissen Sorte bepflanzt, ein riesiger Teil davon im Kanton Waadt. Die Schweiz dürfte auch das einzige Land der Welt sein, in dem Chasselas nicht als einfacher Traubenlieferant für den unkomplizierten Genuss gilt, sondern als potenzieller Spitzenwein.
Anderswo ist der Ruf des Gutedels – der einst grandios gewesen sein muss, sonst hätte man ihm kaum diesen Namen verliehen – eher angeknackst. Chasselas/Gutedel erinnert nämlich an eine Tafeltraube: Die Beeren lassen sich vom Stock verzehren, die Säure ist niedrig, die Süsse angenehm. Wenn man die Pflanzen dann noch wachsen lässt, wie sie wollen, sind hoher Ertrag und mässige Güte sicher.
Man kann sich gut vorstellen, dass diese Rebsorte vor 200 Jahren Begeisterung bei den Winzern ausgelöst hat. Eine sichere Einkommensquelle, denn auch in kühlen, nassen Jahren konnte man aus ihrem Most halbwegs brauchbaren Wein herstellen. Von Spitzenleistungen sprach niemand.
TERROIR UND REIFE
Mehr als brauchbar sind jene Gutedel, die heute zwischen der Schweizer Grenze und Freiburg im Breisgau erzeugt werden. Kaum ein Weingut, das hier keinen im Sortiment hätte – süffig, meist trocken, nicht allzu alkoholreich und ein guter sommerlicher Durstlöscher.
Ein paar Winzer versuchen sich sogar an Komplexität, bauen den Wein im grossen Fass oder, wie Andreas Engelmann vom Schlossgut Ebringen, im gebrauchten Barrique aus. Was auf diese Weise entsteht, besitzt ungewohnte Fülle. „Den Wein nenne ich dann auch nicht Gutedel, sondern Chasselas“, sagt Engelmann. Es gibt keinen Grund, solche Qualitäten nicht auch mal vier, fünf Jahre einzulagern und erst später zu geniessen.
Bei den besten Schweizer Chasselas sollte man sogar noch länger abwarten – aber weshalb sich die Dézaley- und Calamin-Spitzen fast ewig halten, weiss keiner so genau. Es ist wohl ein Zusammenspiel aus besonderem Terroir und angepassten Klonen, aus kleinen Erträgen und einer eigenwilligen Art des Ausbaus. Die meisten grossen Chasselas der Waadt werden nämlich dem Säureabbau unterzogen, wirken jung eher eindimensional hefig, blühen aber nach Jahren und Jahrzehnten richtig auf. Sogar Weine aus den 1970ern oder 1960ern können heute fabelhaft gut sein, nach Walnüssen und Kräutern duften, cremige Fülle aufweisen.
ESSENSBEGLEITER MIT GEMÜSEFAIBLE
Ganz alte Schweizer Chasselas-Spezialitäten eignen sich bestens, um Hartkäse oder einen Vacherin zu begleiten, sie können aber auch Fischgerichte und Pasteten kongenial ergänzen. Ihre jüngeren deutsche Verwandten sind dagegen eher für die Brotzeit und andere unkomplizierte Speisen geeignet. Viele Fleischgerichte kommen mit knackig-jugendlichem Gutedel kaum zurecht, auch bei Fisch und Krustentieren ist die Harmonie nicht sicher.
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Dagegen sind Gemüse und Markgräfler Gutedel der besseren Art wie füreinander geschaffen. „Es passt alles, was aus dem Boden kommt“, sagt Winzer Andreas Engelmann. Karotten und Kartoffeln, Tobinambur und Rote Rüben. Sogar Artischocken können bisweilen mit dem Gutedel harmonieren. Eine gute und edle Kombination!