Seit mehr als 20 Jahren sind die „Anteprime Toscane“ Ende Februar für die Liebhaber und Experten für italienische Weine ein fester Termin im Kalender. Hier werden die aktuellen Jahrgänge der bekanntesten Weine der Toskana vorgestellt. Die Produzenten von Chianti, Brunello, Vino Nobile und Co. präsentierten ihre aktuellen Jahrgänge.
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Der Jahrgang 2014, der für viele Weine der aktuelle ist, stellte auch die Winzer in der Toskana vor Herausforderungen. Kalt war das Jahr, regnerisch dazu – da waren alle gefordert. Aber wie Fabio Ratto, Leiter des Brunello-Weinguts Pian delle Vigne, betont:
„In einem guten Jahrgang kann jeder einen guten Wein machen. Gerade in den nicht optimalen Jahren zeigt sich aber, wer wirklich zu den Top-Produzenten gehört.“
Güte kommt manchmal mit den Jahren
In Montalcino jedoch, wo der Brunello angebaut wird, ist aber gerade erst der Jahrgang 2011 bzw. 2010 für die Riserva herausgekommen. Denn er reift mindestens vier Jahre, davon mindestens zwei Jahre im Fass.
Dennoch stellt sich auch in diesem Jahr wieder heraus: eigentlich ist es auch nun noch zu früh, um diesen Wein zu probieren.
„Die Jahrgänge, den wir aktuell zum Trinken empfehlen, sind 2008 für Brunello und 2004 für die Riserva“, berichtet Lara Brandoni von der Tenuta di Sesta.
Ein guter Brunello, erklärt sie, hat schliesslich ein Alterpotenzial von 15 bis 20 Jahren oder mehr. „Manchmal entfaltet ein Jahrgang seine Güte auch erst mit den Jahren.
Vor zwei Jahren hatten wir eine Präsentation in einem Restaurant in Kopenhagen. Dabei wurde versehentlich unser 2005er statt des vorgesehenen 2007ers serviert. Ich bemerkte sofort den Fehler, aber die Auflösung erstaunte mich: dieser eigentlich als durchschnittlich angesehene Jahrgang hatte sich mit der Reife völlig neu entwickelt.“
Vom Jahrgang 2015 wiederum hält man in Montalcino von Anfang an sehr viel – kein Wunder, denn von ihm schwärmen die Produzenten in ganz Europa: sehr warm, aber kaum Hitzespitzen, Regen genau zur richtigen Zeit – also im Frühjahr und kurz vor, aber nicht während der Lese.
Montalcino lässt jeden Jahrgang von einem Önologen-Team aus der Region bewerten. Die diesjährige Bewertung, die bei den Anteprime bekannt gegeben wurde, überraschte kaum: fünf von fünf möglichen Sternen für 2015.
Zum Vergleich: 2014 erreichte drei Sterne – eine schlechtere Bewertung wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur einmal vergeben, nämlich zwei Sterne für 2002.
Höchstbewertung für Jahrgang 2015
Auch Montepulciano, wo der Vino Nobile zu Hause ist, lässt Sterne vergeben, und auch hier hiess es in diesem Jahr: fünf Sterne für den 2015er. „Andere Jahrgänge, die ähnlich heiss waren, z.B. 2003 und 2011, brachten nicht derart gute Weine hervor“, urteilt der Önologe Maurizio Castelli. „Für das Jahr 2015 aber ist ein gleichmässiger Reifeprozess charakteristisch, der beim Wein intensive Aromen, eine dunkelrote Farbe und eine frische Säure hervorbringt.“
Aber auch hier finden sich Beispiele für schwierige Jahrgänge, die ihren Reiz mit dem Alter erlangen: auffällig diesbezüglich wurde etwa der Vino Nobile di Montepulciano 2002 von Salcheto, der sich heute überraschend hochwertig im Glas präsentiert – besser als mancher Jahrgang davor und danach. „Das verdanken wir der guten Klimatisierung, die an unseren Hanglagen herrscht“, erklärt Weinguts-Besitzer Michele Manelli.
Im Weingut La Braccesca stellt Kellermeister Lorenzo Dongarrà vor allem seinen Vino Nobile 2008 aus der Einzellage Santa Pia heraus: „Er ist noch jung wie ein Baby – der hat noch ein langes Leben vor sich.“ Der Lagenwein wird nur in Jahren mit Potenzial gemacht. Auch 2015, allerdings meint Dongarrà: „2015 wird sehr gute, aber keine besonderen Weine hervorbringen.“
Vernaccia öfter aus biologischem Anbau
In San Gimignano darf man schon den 2015er – und von der Riserva den 2014er – vorstellen, denn der Vernaccia, für den die Gemeinde bekannt ist, ist ein Wein, der bevorzugt jung getrunken wird. Immer mehr der 58 Produzenten für den bekanntesten Weissen der Toskana setzen auf biologischen Anbau. „Wein ist Teil der Ernährung und sollte daher auch Bio-Qualität haben“, findet z.B. Alessandro Tofanari, Inhaber des Weinguts La Castellaccia und einer der Top-Produzenten im Ort.
Auch Luca Lucii von Lucii Libanio berichtet: „Seit 2000 spritzen wir keine Herbizide im Weinberg mehr, sondern nur noch Kupfer und Schwefel. Wir verzichten auch auf künstliche Dünger, dafür setzen wir auf Gras und Blumen im Weinberg.“
Besonders stolz ist er auf seine Einzellage Cellori in Südhanglage, die geprägt ist von Lehm und Steinboden: „Für mich eine der besten Lagen hier überhaupt.“ Von ihr ihr kredenzt er den 2013er Jahrgang, um zu zeigen, dass ein guter Vernaccia seine Frische auch länger erhalten kann.
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Chianti geht mit der Zeit
Einen bemerkenswerten Wandel im Laufe der Jahrzehnte hat der wohl der Chianti hinter sich. Wer alt genug ist, erinnert sich an eine Zeit, als er noch überwiegend aus bauchigen Korbflaschen ausgeschenkt wurde und geschmacklich als der einfache „Bauernwein“ daher kam, der er ursprünglich war.
„Vor 40 Jahren schmeckte der Chianti eher harsch“, weiss Niccolò Casini, Seniorchef des Weinguts Bindi Sergardi. „Die Rebsorte Sangiovese hat zwar eine gute Farbe, ist von Natur aus aber eher aggressiv m Geschmack. Das hat man aber im Laufe der Zeit verbessern können, indem man andere Klone und zudem andere Rebsorten zum Verschnitt dazu nahm.“
Manche Hersteller machen gar verschiedene Weinstile für unterschiedliche Zielgruppen.
„Für ausländische Märkte wird eher ein Chianti mit ein wenig mehr Restsüsse hergestellt als für den Inlandsmarkt,“ berichtet etwa Matteo Cremonini Bianchi, Kellermeister von Le Chiantigiane, einem der grösseren Produzenten.
Das Weingut stellt rund 15 Mio. Flaschen pro Jahr her, davon rund 6 Mio. Chianti. Dennoch betont er: „Es bleibt wichtig, sich an die Produktionsregeln zu halten, das DOCG-Siegel ist für die Konsumenten nach wie vor ausschlaggebend.“
Ein Gegenpart zum Supertoskaner
Während der Chianti DOCG und seine Brüder Chianti Colli Senesi, Colli Fiorentini und Colline Pisane für den umkomplizierten Genuss in jungen Jahren stehen, setzen die Produzenten von Chianti Classico DOCG mehr darauf, die besonders hochwertigen Qualitäten herauszustellen.
Vor zwei Jahren hat das Konsorzium für den Chianti Classico eine Qualitätsstufe über der Riserva eingeführt – die „Gran Selezione“. Diese wird von immer mehr Winzern angenommen – wenn auch manche ihr noch ambivalent gegenüberstehen.
„Alles, was die Qualität des Chianti Classico herausstellt, ist gut – ich wäre das aber etwas anders angegangen, etwa, indem ich die Riserva mehr herausgestellt hätte“, meint Barbara Widmer, Inhaberin vom Weingut Brancaia.
Das Weingut Isole e Olena galt zu Einführung als einer der grössten Skeptiker – schliesslich wisse man nicht, worauf genau man sich da einlasse, hiess es.
Doch schon kurz darauf brachte es eine eigene Gran Selezione heraus – nur 1000 Flaschen, die sofort ausverkauft waren. Einer der Vorreiter für die Gran Selezione ist Rocca delle Maciè, dessen Inhaber Sergio Zingarelli dem Konsorzium vorsteht.
„Das Gran-Selezione-Modell kommt eigentlich etwas zu spät, man hätte damit eigentlich den Supertoskanern zuvorkommen müssen“, findet Georgeta Perhald, Brand Ambassador für Rocca delle Maciè.
Supertoskaner – ein Schlagwort, dass bei den Anteprime oft fällt. Und das, obwohl hier gar keine verkostet werden dürfen. Bei ihnen handelt es sich um Weine, die nicht den DOCG-Regeln entsprechen, und deshalb als IGTs angeboten werden. Manche von diesen Weinen geniessen Kultstatus, allen voran der Tignanello von Antinori oder Ornellaia und Sassiscaia.
Über das Thema kann man aber durchaus kontrovers diskutieren: denn „Super Tuscan“ ist kein geschützter Begriff, weshalb die meisten Weingüter mindestens einen IGT im Sortiment haben, den sie als „Super Tuscan“ anpreisen – und damit einen höheren Preis rechtfertigen. Ausserdem wird man ständig darauf hingewiesen, dass „Supertoskaner“ ja fast nur ein Thema bei ausländischen Weinliebhabern sei. Andererseits: auch Chianti Classico geht zu 80 % in den Export.
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