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Silvaner – Fränkische Experimente seit 1659

Silvaner – Fränkische Experimente seit 1659
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Die fränkische Parade-Rebe geniesst in anderen Weinbauregionen meist deutlich weniger Renommee als in Würzburg, Iphofen oder Escherndorf. Was angesichts des besonderen Silvaner-Charakters ziemlich unverständlich erscheint. Hochklassige Weine dieser Sorte besitzen sowohl im trockenen als auch im süssen Bereich Potenzial, laden geradezu zum Experimentieren ein.

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Andrea Wirsching hat zwar ein bisschen experimentiert, will aber die Tradition bewahren. „Wir behalten den Bocksbeutel“, sagt die Co-Chefin des fränkischen Weinguts Wirsching. Was nicht heisst, dass nicht auch Ausnahmen möglich wären: Ihr Silvaner namens Sister Act, den sie zusammen mit Halbschwester Lena konzipiert hat, wird in einer für Franken untypischen hohen Flasche ausgeliefert.

FRANKEN ZUERST

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Der Schwanberg am Rande des Naturparkes Steigerwald (Franken)

So wie Andrea Wirsching machen es viele Winzer der deutschen Silvaner-Region par excellence. Sie halten an dem fest, was sich über Jahrhunderte als gut erwiesen hat, ergänzen es allerdings bisweilen mit neuen Konzepten und Ideen – selten penetrant, sondern mit Augenmass. Und als gut hat sich der Silvaner weiss Gott herausgestellt in den vergangenen Jahrhunderten.

Vor allem in Franken, wo er – wie alte Urkunden berichten – im Jahre 1659 erstmals in der Region angepflanzt wurde. Damals hiess er noch „Österreicher“, seiner Herkunft wegen, und wurde nachweislich im Dorf Obereisenheim in Form eines Silvaner-Weinberges in den Boden gegraben.

Anders als in vielen anderen Weinregionen des deutschsprachigen Raumes gelangte die Sorte unter fränkischen Erzeugern zu Ruhm, wurde zu einer Institution, nahm es nicht nur im Glas, sondern auch in der Wahrnehmung der Weintrinker mit dem Riesling auf. Die nach Melone, Birne oder Kräutern duftenden Weine mit der unaufdringlichen Säure und der mundfüllenden Frucht, bisweilen flankiert von erdigen Noten, hatten Charakter.

SILVANER ODER SYLVANER

Warum die Ausbreitung des Silvaners nicht überall zur Erfolgsgeschichte wurde, ist nur teilweise zu erklären. Einerseits sind fränkische Keuper- oder Muschelkalkböden bestens geeignet für rassige Weine jener Sorte, die einst auf natürlichem Wege aus Traminer und dem fast verschwundenen Österreichisch Weiss entstanden ist. Andererseits wussten viele Winzer in anderen Anbaugebieten nicht mehr mit dem Silvaner anzufangen, als ihn zum Lieferanten anspruchsloser Alltagsweine zu machen.

Wo die Erträge nicht im Zaum gehalten werden und die Böden ungeeignet sind, entstehen dummerweise langweilige Weine, die den Ruf der Rebsorte über kurz oder lang ruinieren. Nirgendwo ist das deutlicher zu erkennen als im Elsass: Im Gegensatz zu Riesling und Grauburgunder, zu Gewürztraminer und Muscat gilt Sylvaner (mit „y“) hier nicht als noble Sorte, wird zwischen Strasbourg und Mulhouse fast ausschliesslich zu Basisweinen verarbeitet, wandert als Hauptbestandteil in den Mischwein namens Edelzwicker.

Die wenigen Ausnahmen können an der traurigen Regel wenig ändern. Vor allem in Mittelbergheim, einem kleinen Weindorf im Norden der Elsässer Weinbauregion, geniesst Sylvaner wider alle französischen Gepflogenheiten Ansehen, wird zu spannenden, sehr eigenständigen Weinen ausgebaut.

BLAU ODER GRÜN

Auch anderswo experimentiert man – zumindest hin und wieder. Hochwertige Silvaner entstehen in Rheinhessen oder am Kaiserstuhl, die Sorte wächst erfolgreich in der Pfalz oder, unter dem Synonym Johannisberg, im schweizerischen Wallis. Doch nirgendwo wird so viel getüftelt wie in Franken.

In den letzten beiden Jahrzehnten haben viele Erzeuger begonnen, den Silvaner ein bisschen anders zu vinifizieren als in den Dekaden zuvor. Der Ausbau in grossen Holzfässern verleiht dem Wein Schmelz, eine Reifung im Barrique fügt der Frucht eine spezielle Würznote hinzu, Spontanvergärung und ausgeprägte Maischestandzeit ergeben besondere Duft- und Geschmacksnoten.

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Was Betrieben wie LandArt (mit seinem Silvaner namens Erdrauch), dem Weingut am Stein mit seinem Vinz oder Fürst Löwenstein mit seinem schon legendären Asphodill gelingt, hat das Zeug zur Legende. Dazu kommen die raren Produkte aus Trauben des Blauen Silvaners, einer Spielart des üblicherweise angebauten Grünen Silvaners. Wenn man ganz genau hinschmeckt, kann man bei denen sogar Unterschiede herausriechen und -schmecken, kann sich vom ungeheuren Potenzial der Sorte überzeugen.

Dass einige fränkische Spitzen-Silvaner nicht mehr in den Bocksbeutel gefüllt werden, sondern in imposanten Burgunderflaschen Eindruck schinden, mag Traditionalisten stören, sollte aber den Weintrinker mit Ansprüchen nicht allzu sehr irritieren.

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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